Die voranschreitende Energiewende mit ihrer großflächigen Elektrifizierung, dezentraler Stromerzeugung und neuen Stromflussmustern stellt eine Herausforderung für Netzunternehmen auf allen Ebenen dar, so auch für regionale und lokale Verteilernetze. Daher überarbeiten derzeit sowohl Norwegen als auch die EU die Vorschriften zur betrieblichen Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) und Verteilnetzbetreibern (VNB). Da sie exemplarisch für die Veränderungen in Europa stehen, haben wir die neuen Instrumente für die Zusammenarbeit und die Neuaufteilung der betrieblichen Zuständigkeiten zwischen dem norwegischen ÜNB Statnett und den regionalen Netzgesellschaften im Land analysiert.
Wir betrachten insbesondere die Herausforderungen, die heute bereits die Netzgesellschaften beschäftigen und die in Zukunft noch zunehmen werden. Sie betreffen vier Bereiche: die Koordinierung von Netz-Ausfällen, die Erstellung von Systemdiagrammen, die Spannungsregelung und das Engpassmanagement.
Die von uns im Bericht dargelegten Beispiele zeigen, wie wichtig eine enge Koordinierung von ÜNBs und VNBs ist, um übermäßige Kosten und Anschlussverzögerungen zu vermeiden. In unserer Analyse können Sie unter anderem nachlesen, wie der Verteilnetzbetreiber Arva durch betriebliche Maßnahmen und thermische Aufrüstung Investitionen in Höhe von 20 Millionen EUR vermeiden konnte. Wir zeigen auch, wie der DSO Agder Energi jährliche Kosten für Stromverluste durch Spannungserhöhungen um 100-200 Tausend EUR reduzierte. Beide Erfolge waren nur durch die Zusammenarbeit sowohl mit Statnett als auch mit den betroffenen Netzkunden möglich. Mehrere der Netzunternehmen, mit denen wir gesprochen haben, wünschten sich ein formalisiertes Verfahren für die Zusammenarbeit mit Statnett. Das würde die meisten Herausforderungen lösen.
Unserer Ansicht nach könnten viele der Herausforderungen, mit denen die Netzunternehmen heute konfrontiert sind, bereits gelöst werden, wenn ÜNBs und VNBs den Handlungsspielraum in der Netzbetriebsverordnung wirklich nutzen würden. Auch die am 1. August 2021 in Kraft getretenen europäischen Netzbetriebsleitlinien (SO GL) verleihen den Netzbetreibern mehr Freiheit. Zusätzliche Vorteile könnte man durch die Einführung neuer Regelungen und standardisierter Prozesse für die Zusammenarbeit zwischen den Netzbetreibern erzielen, sofern man auch Systeme für den Informationsaustausch einrichtet.
Die laufenden Veränderungen in der Branche sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass die regionalen Netzgesellschaften eine aktivere Rolle bei der Betriebsführung ihrer Netze übernehmen können. Diese Veränderungen reichen von der Digitalisierung bis hin zur formalen Klärung der Zuständigkeiten. Langfristig könnten auch Änderungen bei der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Akteuren in Betracht gezogen werden.