Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen, um Klimaneutralität in der EU zu erreichen. Insbesondere wird er bei der Dekarbonisierung von Industrieprozessen und Schwerlastverkehr elementar sein, so auch im Fit-for-55-Paket beschrieben. Um dafür genügend Wasserstoff verfügbar zu haben, hatte die Europäische Kommission daher vorgeschlagen, eine Erhöhung der Elektrolyseur-Kapazität auf 40 GW bis 2030 anzustreben.
Die Ereignisse der vergangenen sechs Monate haben die Wasserstoff-Pläne nun sprunghaft anwachsen lassen. Insbesondere das verstärkte Interesse an einem schnelleren Ausstieg aus russischem Gas aus trug dazu bei: REPowerEU, das in diesem Frühjahr veröffentlichte EU-Programm zur Entkopplung von russischen Energieimporten, schlägt vor, bis 2030 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff in der EU zu produzieren und weitere 10 Millionen Tonnen zu importieren. Damit will die EU Erdgas, Kohle und Öl in Industrie und Verkehrs ersetzen. Laut ReCharge entspricht dies bis 2030 einer EU-internen Elektrolysekapazität von 120-200 GW. Gleichzeitig veröffentlichte die Kommission zwei delegierte Rechtsakte zur Definition und Produktion von grünem Wasserstoff, um sicherzustellen, dass die Produktion zu einer Netto-Dekarbonisierung führt. Damit wird das Elektrolysekapazitätsziel im Vergleich zum Fit for 55-Ziel mehr als verdreifacht, während gleichzeitig die Kriterien für die Definition von grünem Wasserstoff verschärft wurden.
Im Zusammenhang mit der neuesten Ausgabe des „THEMA Technology Outlooks“ und des „THEMA Power Market Outlooks“ haben wir unsere Datenbank der Wasserstoffprojekte in Europa aktualisiert. Die Daten decken fast ganz Europa ab (Bulgarien und Griechenland werten wir gerade noch aus) und enthalten einen Überblick über Projekte in allen Bereichen der Wasserstoff-Wertschöpfungskette: von der Produktion - sowohl durch Elektrolyse als auch durch blauen Wasserstoff - über die Speicherung und den Transport bis hin zur Nachfrage. Wir betrachten dabei Projekte in allen Entwicklungsstadien, von angekündigten Projekten, die noch nicht finanziert sind, bis hin zu Projekten, die sich im Bau befinden oder sogar schon in Betrieb sind.
Wie aus der Abbildung hervorgeht, belaufen sich die angekündigten Projekte zur Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse, die bis 2030 in Betrieb genommen werden sollen, derzeit auf 43 GW. Europa hat also noch einen langen Weg vor sich, bis es jährlich 10 Mio. Tonnen Wasserstoff produzieren kann (ca. 120-200 GW Produktionskapazität wären dafür nötig). 37 Prozent der bereits angekündigten Kapazitäten sollen in Deutschland und den Niederlanden in Betrieb genommen werden. Noch sind die meisten Projekte allerdings nur angekündigt und haben keine endgültige Investitionsentscheidung. Es besteht also eine erhebliche Unsicherheit darüber, wie viele der angekündigten Projekte tatsächlich realisiert werden.
Im „THEMA Technology Outlook“ erörtern wir, was erforderlich ist, um die Produktionsziele zu erreichen. Eine Voraussetzung wäre zum Beispiel die Einrichtung von finanziellen Unterstützungsmechanismen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Die EU-Kommission hat in den letzten Jahren mehrere Förderinitiativen genehmigt, z. B. Clean Hydrogen Partnership und H2Global. Letzteres ist ein deutscher Fördermechanismus, der einen raschen, deutlichen Anstieg des grünen Wasserstoffs unterstützen soll, indem er über eine Doppelauktion sowohl Verbrauchern als auch Erzeugern von grünem Wasserstoff 10-Jahres-Differenzverträge (CfD) anbietet. Darüber hinaus haben mehrere Länder ihre eigenen nationalen Wasserstoffstrategien und damit verbundene nationale Förderregelungen eingeführt, um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen.
THEMA verfolgt die Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur genau und aktualisiert die Datenbank kontinuierlich. Falls Sie Fragen zu unserem Technology Outlook generell oder zur Wasserstoffwirtschaft und der Rolle von Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem im Speziellen haben, kontaktieren Sie uns gern. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.